
Wer glaubt Bungee-Jumping oder Sky-Diving wären der ultimative Kick, der war noch nie bei einem Kinderflohmarkt. Hier werden keine Kinder verkauft, sondern nur alte, ausgediente, abgetragene Kinderkleidung, oft zu überhöhten Preisen. Aber die Mütter und Väter tun so, als gäbe es einen neuen Computer bei Aldi zu kaufen. Schon eine halbe Stunde vor Öffnung drängt sich die Menschenmenge vor der Eingangstür der KiTa oder des Gemeindehauses. Je näher die erwartete Uhrzeit rückt, desto aufgeregter die Menge. Endlich ist es soweit, die Türen werden geöffnet. Schwangere raus (die dürfen nämlich meistens schon eine halbe Stunde vor Beginn die Pulloverstapel und Schuhberge plündern), Väter, Mütter, Kinder, Babys in MaxiCosys, Kinderwägen oder Bauchtragen rein. Und dann wird gewütet. Der mit dem spitzesten Ellenbogen gewinnt den Kampf um rote Pullis, kleine Cordhosen und gefütterte Regenjacken. Die ersten Erwachsenen sitzen schon erschöpft bei Kaffe aus Plastikbechern und selbstgebackenem Smartie-Kuchen auf kleinen Kindergartenbänken an kleinen Kindergartentischen während der Strom der neu Ankommenden nicht abreißen will. Da spielen sich Tragödien ab. Wie gestern als ein kleiner Junge furchtbar dringend aufs Klo musste. Dieses befand sich neben der Kasse, völlig abgeschnitten von der Außenwelt durch eine mindestens 12 Meter lange Schlange von Muttis und Vatis mit vollgestopfen IKEA-Taschen und gezücktem Geldbeutel. Endlich zur Tür vorgedrungen, das kleine Kinderfahrrad, das noch im Weg stand weggeschoben, mussten der mittlerweile in Tränen aufgelöste Knirps und seine verzweifelte Mutter feststellen, dass die Toilette besetzt war...
Dies nur, um einen ungefähren Eindruck solcherlei Wochenendebeschäftigungen zu vermitteln. Natürlich gibt es gewaltige Unterschiede zwischen den verschiedenen Kinderflohmärkten. Relativ geruhsam lässt es sich um die blaue Jeans mit der niedlichen rosa Blume streiten, wenn man das Kind zuhause parken konnte, sich auf einem sortieren Flohmarkt (das heißt, die Kleidung ist nach Größen sortiert und wird nicht von einzelnen Selbstverkäufern an verschiedenen Tischen angeboten) befindet und so ca. eine Stunde nach Eröffnung eingetroffen ist. Für nicht sortierte Flohmärkte, fünf bis fünfzehn Minuten nach Eröffnung und das auch noch mit Kind im Schlepptau muss man schon sehr gute Nerven und eine starke rechte haben.
Woher ich das alles so genau weiß? Ich war selbst schon dabei. In der ersten Reihe. Habe mich in die kreischende Menge geworfen und den rosa Schneeanzug Größe 80 mit Leib und Seele verteidigt. Ich habe sie gesehen, die Wahnsinnigen, wie sie sich auf Dreiräder, Schlafanzüge und winzigkleine Jeansjacken werfen und so tun als gäbe es kein Morgen. Als würde nächsten Donnerstag bei Aldi nicht die neueste Impidimpi-Kollektion aud dei Wühltische kommen. Aber das, das ist ein anderes Thema...